Der blaue Himmel und das Meer von Marseille, die strahlend hellen Kalkfelsen der Insel Frioul, die grünen Pinien in und um Aix-en-Provence, die hellbraunen Steinbögen des Amphitheaters, das Grau des Theaters von Arles, das Rot der Sandsteinfassade des Straßburger Münsters…

Frankreichs griechisch, römisch und magrebinisch-levantinisch sowie mediterran geprägter Süden begeistert lange schon Menschen als Sehnsuchtsort der Kunst. Cézanne, Van Gogh und andere Protagonisten der Moderne kamen hierher, weil sie das Licht, die Lebensart und das Klima schätzten. Anders als die meisten von Europas klassischen Künstlerkolonien ist die Provence jedoch heute noch ein junger „Hot-Spot“ der aktuellen Kunstszene geblieben.

Das liegt insbesondere an ihrer Hauptstadt Marseille – der zweitgrößten und ältesten Stadt Frankreichs. Seit dem Altertum ist die Metropole mindestens ebenso Schmelztiegel der Kulturen wie auch Marseilles berühmte Fischsuppe Bouillabaisse verschiedene Sorten geschuppter Tiere zusammenbringt. Der Legende zufolge war die Hochzeit einer keltischen Königstochter mit einem griechischen Seefahrer der Grundstein für „Massalia“. In ihrer mehr als zweieinhalbtausend Jahre umfassenden Geschichte hat sich die von Bergen umgebene Hafenstadt mehrfach neu erfunden, so auch kürzlich: Nach einem Abschwung im späten 20. Jahrhundert fasziniert Frankreichs wichtigste Hafenstadt seit 2013-16 mit einer Perlenschnur erstklassiger Architektur direkt am Mittelmeer. Die historischen Viertel umzu wurden und werden ebenso mit Dynamik und Ideenreichtum belebt. Dieses kreative Geschick ist überall in der Stadt nicht nur an Gebäuden, sondern auch auf den Plätzen, an den erstaunlichen Fassaden, in der Mode, vor allem auch tausendfach durch Street Art spürbar!

Doch Marseille ist nicht das einzige pulsierende Kulturzentrum der Region mit Geschichte.

Aix-en-Provence hat uns mit eleganten und sehr stimmungsvollen Gassen zwischen Pinien und Kopfsteinpflaster fasziniert, bevor eine faszinierende und spannende Ausstellung (aus diversen internationalen Museen zusammengestellt) von Werken des „Meisters von Aix“ Paul Cézanne zu erleben war. Dort, genau in dem Gebäude, hatte der Maler seine ersten Zeichenkurse belegt. Faszinierend waren auch die Skizzen des Künstlers, die seine Kompositionsweise offen legten. Der in Aix geborene und verstorbene Maler des Impressionismus schien den Geist des Ortes, seiner Farben, Landschaften und Menschen einzufangen, fast so, als wären sie noch unter uns…

Arles an der Flussbiegung der Rhône mit seinen atemberaubenden römischen Überresten mischt ebenfalls noch ganz vorn im heutigen Kunst- und Architekturgeschehen mit. In der Wahlheimat Vincent van Goghs haben wir in einer Ausstellung Bilder und Themen des Niederländers mit Bildern des in Westdeutschland seit ca. 1960 immer mehr gefeierten Malers Sigmar Polke kombiniert erlebt. Auch er kam nicht von dort, Düsseldorf und Köln, wo er Furore machte. Dabei spielten kurioserweise Kartoffeln, Punkte („Polke Dots“), Chemikalien und auch die Französische Revolution eine Rolle.

Der Strom der Rhône hat uns am letzten Halt unserer Bahnreise auch in Avignon begleitet, wo viele über eine Rückkehr nach Frankreich sprachen und nachdachten.

Die Strände, Flohmärkte und Restaurants der sonnenverwöhnten Metropole des Südens zeigten uns viele facettenreiche Seiten unseres südwestlichen Nachbarlandes, das eine immense Rolle bei der Integration unterschiedlicher Menschen, Farben und Stimmen gespielt hat …und auch heute noch spielt! (Marseille-Paris 1:0!)

Autor: Christian Hauck-Hahmann